DC mit Herz 2a

Die Wahrheit ist nicht irgendwo da draußen. - Sie ist irgendwo da unten.

Hol schon mal den Spaten aus dem Schuppen. Das hier wird ‘ne Weile dauern.

Tja, der Spaten gehört zu meinen wichtigsten Werkzeugen. Das hätten Sie nicht gedacht, was? Ich auch nicht. – Bis mich die beiden Quälgeister heimsuchten.

Zunächst wäre da mein iSH, mein innerer Schweinehund. Er versucht ständig, mich zum bequemen Weg zu überreden. „Warum den Text noch einmal nachbearbeiten? Komm schon, Dominique, der reicht locker so, wie er ist!“

Auf der anderen Seite haben wir KKD, die Korinthen-Kacker-Dominique. Sie hinterfragt wirklich alles und treibt mich in den Wahnsinn.

Meist beginnt alles ganz harmlos, nämlich mit einer Szene, die ich vorbereite. Eine Szene wie diese:

John hat Wochenendbereitschaft. Kurz vor Mitternacht geht sein Piepser los. Ein Empath ist verletzt. John stürmt aus seinem Apartment.

Spätestens hier erscheint KKD mit dem Spaten in der Hand, und iSH gesellt sich mit der Fernbedienung fürs TV dazu. Unser Gespräch sieht ungefähr so aus:

KKD: „Welche Gedanken gehen John eigentlich durch den Kopf, bevor er aus der Wohnung hetzt?“
iSH: „Ist doch egal.“
KKD: „Der Verletzte ist ein Empath. Es könnten Famke oder Estella sein.“
iSH: „Genau deswegen sollte John sich beeilen. Lass uns endlich zur Action kommen!“
KKD: „Ich spreche ja nicht davon, dass John einen endlosen inneren Monolog halten sollte. Aber Dominique sollte schon wissen, wovon sie redet, Oder?« Jetzt sieht sie mich an.

Ich seufze und strecke KKD meine Hand entgegen. „Okay, gib den Spaten her.“

Im Garten setze ich den Fuß auf den Spaten und gebe Druck darauf. Zum Glück ist der Boden nicht ganz so hart.

John:

Seine Gedanken rasen. Verdammt, wer ist der Verletzte? Der Reihe nach hakt er sie ab. Famke ist hier im Institut, Yüksel, Melanie und Luigi ebenfalls. Estella ist zwar unterwegs, allerdings mit Ronin. Er würde niemals zulassen, dass ihr etwas passiert..
Doch warum fühlt John dann diesen Stein im Magen?

Schon höre ich wieder KKDs Stimme. „Womit war John eigentlich beschäftigt, als der Piepser losging?“
»Was hat das denn jetzt mit der Gefahrensituation zu tun?“, fragt iSH.

Ehrlich gesagt, gebe ich ihm Recht. Trotzdem setze ich den Spaten nochmals an.
Keine Ahnung, warum.

Diesmal ist der Boden härter.

Es ist Wochenende. Natürlich ist Frauke abends bei John.
Was tut ein Pärchen, wenn es das Haus nicht verlassen kann?
Es schaut einen Film. – Nein, denn dann hätten die beiden auch Luigis Einladung zum Videoabend annehmen können. Außerdem sind sie so lange noch nicht zusammen, dass sie über die romantische Phase bereits hinweg wären.
Neuer Vorschlag: Sie liegen auf der Couch und knutschen herum, als der Piepser ertönt. – Das schon eher.

John:

„Tut mir leid, Häschen, ich muss los“, sagt er und erhebt sich.
»In Ordnung«, antwortete Frauke und lächelt, »ich warte auf dich, bis du wiederkommst.«

„Bullshit“, ruft iSH und schmeißt die Fernbedienung gegen die Wand.
Meine Kinnlade klappt nach unten. Was soll das denn jetzt? Ist iSH etwa auf die andere Seite gewechselt?
iSH schneidet mir das Wort ab. »Du glaubst doch nicht, dass sich der arme Kerl ohne Diskussion vom Acker machen kann. Nicht bei diesem Weibsstück.«
Ich wehre mich. „Frauke hat den Bereitschaftsplan eigenhändig erstellt.”
KKD schaltet sich ein: »Geht es Frauke denn überhaupt um die Bereitschaft? Oder geht es um etwas anderes?«
„Woher soll ich das wissen?“, frage ich.
„Du bist die Autorin“, antwortet KKD und starrt mich an, bis ich mich murrend füge.

Der Boden ist knochenhart. Vermutlich eine Lehmschicht. Ich ramme die Spatenspitze immer wieder in dieselbe Kerbe und bin schweißgebadet, als die Kruste endlich aufbricht.

John:

Wenn Frauke merkt, dass es nicht um einen Routineeinsatz geht, wird sie wissen wollen, was los ist. Damit kann er sich jetzt nicht aufhalten. Also zwingt er sich, wie immer zu reagieren. Erklären kann er es ihr, wenn der Einsatz beendet ist. Vielleicht kommt er auch drum herum, wenn alles glatt geht.

Frauke:

Sie zuckt zusammen, als der Piepser ertönt.
»Was ist denn?«, fragt sie und spürt wieder das unangenehme Kribbeln im Bauch. Gleich wird John die verhassten Worte aussprechen, und der Abend wird vorbei sein.
»Ein Einsatz«, antwortet er auch schon und klingt wie immer.
Frauke kann nicht anders, sie muss die Anspannung loswerden.
»Wieso müssen die Leute sich die Parasiten eigentlich immer einfangen, wenn du Bereitschaft hast?«, mault sie.
John haucht ihr einen Kuss auf den Hals. »Tut mir leid, Häschen. Warte nicht auf mich.«
Einen Moment später ist er verschwunden.

Jedes Mal ist es dasselbe. Der Piepser geht. John sagt seinen Spruch auf. Und das war’s. Dann sitzt sie hier und wartet darauf, dass er zurückkommt. Oder sie fährt nach Hause und weiß auch dort nichts mit sich anzufangen.

Es sind nicht die Einsätze, die sie aufbringen.
Es ist Johns Reaktion.
Es macht ihm nichts aus, dass ihr Abend beendet ist. Es kümmert ihn nicht, weil er sich nicht annähernd so auf die gemeinsamen Stunden gefreut hat wie sie. Weil er nicht annähernd so gerne mit ihr zusammen ist wie sie mit ihm. Weil er sie nicht …

Sie wagt es nicht, dieses eine Wort zu Ende zu denken. Denn dann muss sie John die Frage stellen. Die eine, die wichtige Frage, die sie bisher stets vermieden hat und deren Antwort ihre gemeinsame Zukunft zerstören wird.

Ihr Herz schlägt rasend schnell gegen die Rippen. Sie greift nach der Fernbedienung und schaltet den Fernseher ein.

Ich stütze mich auf den Spaten und schaue fasziniert in das Loch zu meinen Füßen. Ich habe etwas gefunden, das ich gar nicht gesucht hatte. Einen Konflikt, der Johns und Fraukes Beziehung beeinflussen wird. Nein, es geht weit übers Beeinflussen hinaus. In diesem Augenblick wird mir klar, dass die Entscheidung gefallen ist.

Natürlich wusste ich von Anfang an, dass Frauke und John keine gemeinsame Zukunft haben.

Doch jetzt weiß ich, warum und wie es enden wird.

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Zuruck06

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